Ulrike Bergermann: Leere Fächer. Gründungsdiskurse in Kybernetik und Medienwissenschaft
Hat jedes wissenschaftliche Fach ein Objekt, muss eine Disziplin einen Gegenstand haben? Wie organisieren sich Wissenschaften um neue Themen, Dinge oder Konzepte herum? Was bei etablierten Disziplinen zum Alltag gehört, das Ein- und Umarbeiten neuer Ideen, stellte zur Mitte und zum Ende des 20. Jahrhunderts die Frage nach dem Neuen fundamentaler.
Kybernetik und Medienwissenschaft wollen neue Wissensformationen bilden, Theorie und Praxis verschränken, digitale Medien und Universalmaschinen modellhaft adressieren, Spezialisierung von Wissenschaften und universale Paradigmen zusammenbringen. Sie vereinen Abstraktion und Anwendung, Formalismen für alle Realitäten, versprechen echte Interdisziplinarität.Beiden ist ein Problem gemeinsam – sie suchen ein Modell für Übertragung, Kontrolle und Rückkoppelung. Übertragung kann man nicht haben, man kann sie entwerfen, beschreiben, betreiben, aber nicht sehen. Sie funktioniert nicht ohne Leerstelle zwischen den Sendern/Empfängern, Aktanten, Protagonisten. Gerade diese Leerstellen wurdenungeheuer attraktiv, ihre Unschärfe produktiv, sie schrieben Wissenschaftsgeschichte.
Mit Hilfe eines Umwegs über Lektüren von ›theory‹ und ›Comparative Studies‹ fragt das Buch: Wie erklären Einführungen in die Kybernetik oder in Medienwissenschaft ihr neues Feld? Wie schreiben sie Fachgeschichte? Wie hat sich die Medienwissenschaft selbst auf die Kybernetik bezogen? Löst ein leeres Zentrum Begehren aus? Ist Medienwissenschaft um 2000 ein privilegierter Ort für das Durcharbeiten solcher Fragen – nach den Bedingungsgefügen von Apparaten, Wissensformen und Institutionalisierungen? Und hätten, gelegentlich, gender, race oder class etwas damit zu tun?