Johann Christian Ludwig Hellwig (1743-1831) war Braunschweiger, Mathematiker, Naturwissenschaftler, Philanthrop und Spiele-Erfinder – kurz: ein Mensch der Aufklärung. Er hat seine Spuren in der Insektenkunde hinterlassen, das moderne Versicherungswesen entscheidend mitgeprägt, Carl Friedrich Gauß ausgebildet, die Geschichte des Planspiels beeinflusst, mit den interessantesten Köpfen seiner Zeit korrespondiert und das Braunschweigische Herrschergeschlecht beraten. Er war Kind seiner Zeit: Sein Weg führte durch die politischen Sphären Schwedens, Preußens, Frankreichs und Braunschweigs – ein Gelehrter zwischen den Polen der Macht. Sein Wissensdurst, sein autodidaktische Neugierde, seine Bemühen um den Menschen machen ihn zu einem – heute weitgehend vergessenen – Menschenfreund, Schulreformer und Bürger. Neben seiner interessanten Biografie verfolgt das Forschungsprojekt aber schwerpunktmäßig den Einfluss Hellwigs auf die (Plan-) Spielegeschichte.
Das Hellwigsche Spiel (von 1780 bzw. 1802) ist ein Kriegsschachspiel, das den strategischeren Denker gewinnen lässt und umgekehrt seine Spieler zu Strategen macht. Damit treffen im Braunschweiger Kriegsspiel zwei Funktionen aufeinander, die zwar auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun zu haben scheinen, die aber dennoch über die Jahrhunderte oft zueinander gefunden haben: das spielerische Handeln und das strategische Denken. Zwar ist ein Genrebegriff des Strategiespiels geläufig, aber die Spielenden denken nur selten darüber nach, wie sich eigentlich die Momente des Spiels und der strategischen Planung miteinander (auch historisch) verbinden. Vom Schach bis zu heutigen Spieltiteln wie StarCraft, Civilization oder Stratego ist es ein langer Weg, dessen Untersuchung nicht nur Aufschluss über die Spiele selbst gibt, sondern auch die Rolle des Strategischen in der Gesellschaft beleuchtet. Die Rekonstruktion des Hellwigschen Spiels (die heute im Computerspielemuseum in Berlin archiviert ist) hat gezeigt, in welchem speziellen Maße das Hellwigsche Spiel vor allem auf der Ebene eines didaktisch motivierten Spielhandelns als ›epistemologische Einübungstechnologie‹ verstanden werden kann.
Ausgewählte Publikationen:
Rolf F. Nohr (2017) Johann Christian Ludwig Hellwig. „Ein dem Menschenwohl gewidmetes Leben“. Berlin: Hentrich & Hentrich
Rolf F. Nohr / Stefan Böhme (unter Mitarbeit von Gunnar Sandkühler) (2009): „Die Auftritte des Krieges sinnlich machen“. Johann C. L. Hellwig und das Braunschweiger Kriegsspiel. Braunschweig: Appelhans
Rolf F. Nohr (2016): ›Den Entscheidungsspielraum von morgen gestalten‹. Hellwigs Kriegsspiel und der Diskurs des Strategischen. In: Ernst Strouhal (Hg.): Agon und Ares. Der Krieg und die Spiele. Frankfurt/M./New York: Campus, S.65-81