Das Fernsehen postuliert das
globale Dorf. Es ist ein Medium, das globale Wirksamkeit
entfalten möchte, das als raumwirksam betrachtet
wird und das uns – im Sinne eines ›merkwürdigen‹
Realismuseffektes – ein ›Fenster zur Welt‹
sein will. Wie geht ein solches Medium mit den Bildern
von Raum, also den Karten und Kartographien, den Globen
und Satellitenbildern um? Welche Bedeutung produzieren
diese Bilderformen, wie werden sie vom Zuschauer angeeignet?
Wie positioniert sich das Subjekt zum Fernsehen, wo verortet
das Fernsehen das Subjekt? Wie benutzt das Fernsehen die
Karten: Welche Narrationen produzieren sich am Einsatz
der Kartographie? Welche Kontexte prägen das Bild
des Raumes im Fernsehen?
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Die hegemoniale Rhetorik der
Nachrichtenkarte scheint innerhalb des Formats Nachrichten
ein kompensierendes Gegenüber zu besitzen: die Wetterkarte.
Nichts scheint besser in der Lage zu sein, sich mit der
Welt, ihren Ereignissen und Diskursen zu versöhnen
wie das ›unverbindliche Reden über das Wetter‹.
Nachrichten sprechen von einer abstrakten Ereignishaftigkeit
einer derealisierten und an sich ortlosen Welt –
Wetter umgibt den Menschen permanent. Auch in einer der
Natur entfremdeten Gesellschaft ist der Blick zum Himmel
ein Rekurs auf die Einbindung des Menschen in eine –
wie auch immer geartete – Natur.
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Was ›sagen‹ Karten
im Fernsehen? Die theoretische Debatte um die Kartographie
als Schrift, Spur, Visualität und Ikonographie hat
sich dem Thema des sozialen und politischen Gehalts von
Karten nicht wesentlich genähert. Zu oft verbleibt
die Dekonstruktion oder kritische Lektüre der Karte
noch bei der Beurteilung von offensichtlichen Eingriffen
und Eintragungen in das generalisierende Raumaufschreibungssystem
– Zensuren, Manipulationen, Verzerrungen oder Verfremdungen
scheinen die Verankerungspunkte einer kritischen Debatte
um die Karten darzustellen. Sprechen und Schweigen über
Räume scheint sich aber für das Fernsehen an
Karten fixieren zu lassen.
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Karten im Fernsehen sind Erzählungen.
Erzählungen in dem Sinne, als sie narrative Mikrodramaturgien
entfalten. Sie sind in keinem Sinne ›Raum-Abbilder‹,
sondern vielmehr ›Bühne‹ für Inszenierungen
und Geschichten. Vor allem die dynamischen Kartenanimationen
bieten hierfür reichhaltige Belege. Denkt man bei
Karten im Medium zunächst an politische Karten o.ä.,
also Karten die zunächst ein distinktes Ereignis
in der Welt zu positionieren versuchen, betrachten wir
bei Wetterflügen und Raumanimationen (beispielsweise
der Sportberichterstattung) eine Landschaft und weniger
einen politischen Raum. Schon der Perspektivenwechsel
von der strikten und verflachenden Raumaufsicht zur Schrägeinsicht
in eine Landschaft markiert den Wechsel. Und folgerichtig
haben wir über ein ›Ereignis‹ zu reden,
das als Landschafts- und Naturphänomen gerade nicht
distinkt ist, sondern (auch in Abgrenzung zum ›Politischen‹)
konkret erlebbar: das Wetter, ein Fahrradrennen.
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»Denken
heißt Reisen...«
Gilles Deleuze / Félix Guattari
- Tausend Plateaus. Kapitalismus und Schizophrenie
Das Zitat verweist auf eine Denkweise, den Raum und
seine Abbildung, die Bewegung und Dynamik innerhalb
diesen Raumes neu zu denken. Gemein ist solchen Denkweisen,
nicht nur die Korrelation von Raum, Zeit und Dynamik
als relationale Positionierung zu verstehen, sondern
den Handlungsbegriff an den Koordinaten der Topographie
in den Mittelpunkt der Reflexion zu nehmen.Es rückt
also nunmehr eine Frage nach der Positionierung in den
Fokus der Aufmerksamkeit, die nicht über Koordinaten,
sondern vielleicht eher über »Lagerungsbeziehungen«
oder subjektives Handeln am Raum und seinen Konzepten
verhandelt werden kann – und nicht zuletzt über
die Effekte die ein per se ortloses Medium benötigt,
um sich selbst einen (apriorischen) Raum zuzuweisen.
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Rolf F. Nohr (2002) Karten im
Fernsehen: Die Produktion von Positionierung, Münster:
LIT
Karten, Topographien, Bilder des blauen Planeten oder
Raumflüge durchziehen das Fernsehen. Nicht nur in
den Nachrichten und Wetterberichten, auch auf der Ebene
von Senderlogos, Trailern oder Werbung argumentiert das
Fernsehprogramm mit Raumbildern. Die Kartenformen erscheinen
einmal als dominante Setzungen und Markierungen, einmal
als Marginalien und Fußnoten, sie erscheinen als
Texte und Bilder. Wie entfalten Elemente dieses visuellen
Kanons ihre Bedeutung? Wie interagieren die beiden Mediensysteme,
nämlich die Kartographie als kulturelle Praxis und
das Fernsehen als Leitmedium miteinander? Und vor allem:
wie produzieren Karten im Fernsehen Positionierung?
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der Einleitung von »Karten im Fernsehen. Die Produktion
von Positionierung«
Rolf F. Nohr: »Narration und Fernsehkartographie«.
Ursprünglich (unbebildert) veröffentlicht in:
Herbert Hrachovec / Wolfgang Müller-Funk / Birgit
Wagner (Hg.): »Kleine Erzählungen und ihre
Medien«. Wien: Turia & Kant, 2004
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(c) 2003 Rolf F. Nohr
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